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Brillenversorgung im afrikanischen Busch

 

Drückende Hitze, Schweißperlen am ganzen Körper, in der Nase der Duft roter, feuchtanmutender Erde, in der absinkenden Staubwolke unseres kleinen Reisebusses tanzen afrikanische Frauen in färbigen Kleidern zu den Rhythmen ihrer Lieder umzingelt von unzähligen fröhlichen Kinderaugen. Ihr Lachen steckt mich an und ihre Gesten heißen uns herzlich willkommen. Da waren wir nun, eine Reisegruppe aus ganz Österreich, bunt gemischt im Alter zwischen 23 und 65 Jahren, interdisziplinär aus den Bereichen Medizin, Pflege und Optik mitten im afrikanischen Busch, angekommen an unserem Ziel Umunohu, einem 5.000 Einwohner-Dorf im Bundesstaat Imo State im Südosten von Nigeria. 

spitalaussen
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Hinter uns lagen neben der 16-stündigen Reise viele Wochen der Vorbereitung, in denen an die 12.000 Brillen gesammelt, gereinigt, repariert, ausgemessen und nach deren Brechwert sortiert verpackt wurden. Mit in unserem Gepäck waren neben den persönlich nötigsten Utensilien über 300 kg Medikamente sowie verschiedene optische und medizinische Instrumente.

 

Auf uns warteten drei gemeinsame Wochen in einer „fremden Welt“ mit dem Ziel vor Augen, ein in den letzten drei Jahren erbautes Spital einzurichten und zu eröffnen, medizinische Grundversorgung zu leisten und die Menschen mit entsprechenden Brillen zu versorgen. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden, war in der ersten Woche die Inbetriebnahme des neuen Krankenhauses geplant, bevor sich unsere Gruppe in der zweiten Woche in ein medizinisches und ein optisches Team teilen sollte.

 

Den ersten Nachmittag nutzten wir für einen Spaziergang durch das Dorf in das etwa zwei Kilometer entfernte Spital. Der Weg war erfüllt von ersten Begegnungen. Vor allem Kinder begleiteten uns, näherten sich unseren weißen Händen an bis schließlich beinahe jeder Finger von einer schwarzen Kinderhand umfasst war. Wir kamen vorbei am Dorfbrunnen, wo Kinder und Frauen ihre gelben Kanister mit Wasser füllten um sie anschließend kunstvoll am Kopf balancierend nach Hause zu tragen. Durch ein schmiedeeisernes Tor betreten wir das Krankenhausareal. Vor uns thront ein dreistöckiges Bauwerk, in seiner Architektur einzigartig für diese Region. Auf dem an der Außenfassade stehenden Gerüst aus Bambus schwingen sich über eine hühnertreppenähnliche Leiter Handwerker für letzte Maler- und Spenglerarbeiten. Beim Betreten des Gebäudes war uns klar, dass die nächsten Tage für die Reinigung und Einrichtung der Räumlichkeiten gebraucht werden. 

 

Mit drei Tagen Verspätung traf am sechsten Reisetag der ersehnte Container in Umunohu ein, der neben unseren 12.000 Brillen auch mit diversen medizinischen Geräten und Krankenhauseinrichtungsgegenständen befüllt war. Gemeinsam mit über 40 afrikanischen Männern wurde der 76 m³ fassende Container in fünf schweißtreibenden Stunden geleert, wohl bemerkt ohne jegliche technische Unterstützung, denn Stapler und Hubwagen kennt man in Afrika nicht! Am 30. Jänner 2013 wurde das Madonna Austrian Hospital Ihitte in Anwesenheit des Bischofs eröffnet und seiner Bestimmung übergeben. 

 

Nun konnte unsere medizinische und optische Versorgungsarbeit beginnen. Das Medizinteam behandelte im neuen Krankenhaus an die 1.000 Patienten, führte 30 chirurgische Eingriffe durch und versuchte nebenher das afrikanische Personal mit den medizinischen Geräten vertraut zu machen. Für unser Brillenprojekt errichteten wir in einer Garage eine optische Behandlungsstraße. Nach der Messung am Autorefraktometer erfolgte an sieben Messplätzen die Sehschärfen- und Brillenbestimmung. Jeder gab sein Bestes um den Menschen bei ihren Augenproblemen zu helfen. Bereits am ersten Tag waren wir gefordert uns von unserer gewohnten europäischen Präzision zu verabschieden und die optischen Toleranzbereiche wesentlich zu vergrößern. Eine Sehleistung von 100 % war bei Erwachsenen praktisch nicht vorhanden, nahezu jeder Patient ab 35 Jahren war altersweitsichtig, hatte ein Pterygium sowie eine beginnende Cataract (grauer Star). Je älter die Patienten waren, umso ausgeprägter zeigten sich die Veränderungen. Unsere Augenärztin war nicht wenig überrascht, als das Tonometer Augeninnendruckwerte von über 40 mmHg anzeigte (Normwert 10 – 20 mmHg). Cataract (grauer Star), Glaukom (grüner Star), Trachom und vieles mehr bleiben in Nigeria aufgrund fehlender Versorgungsmöglichkeiten unbehandelt und zählen zu den häufigsten Erblindungsursachen. Die wenigen vor Ort durchgeführten Eingriffe enden mangels Hygiene oder nicht fachgerechter Ausführung erfolglos. Eine für uns ernüchternde Erfahrung, dennoch suchten wir unsere Motivation in den dankbar strahlenden Augen zu finden, die durch eine neue, oft auch erste Brille, wieder lachten. Nach zehn Behandlungstagen spürten wir das Ende unserer Kräfte, hatten wir doch immerhin knapp 3.000 Menschen untersucht und über 6.000 Brillen abgegeben und dies unter Temperaturen über 30° C, Staub-, Lärm- und nicht zu vernachlässigender emotionaler Belastung. 

 

Neben aller Arbeit bekamen wir Einblicke in die afrikanische Kultur, besuchten Gottesdienste sowie Märkte und folgten der Einladung einzelner Dorfbewohner in ihre Häuser. Eine für mich unvergessliche
 Begegnung wird jene mit Solomon, dem Patenkind meines Mannes und mir, bleiben. Zwei schüchterne, braune Augen blicken mich bescheiden an, neben ihm eine vom Leben gezeichnete Frau, die sich mir als seine Mutter vorstellte. Ich versuche ein Gespräch aufzubauen, was sich jedoch aufgrund der sprachlichen Barriere schwierig gestaltete. Dennoch erfuhr ich, dass der Vater vor zwei Jahren verstorben ist und die Mutter seither alleine für die neun Kinder sorgt. Tief ergriffen, dankbar für diese Begegnung und absolut sicher mit dieser Patenschaft das Richtige gemacht zu haben, verabschiedeten wir uns – jeder in seine Welt, doch im Gedanken verbunden.

 

Nach einem Dankfest mit traditionellen Trommlern, Tänzern und afrikanischen Masken traten wir unsere Heimreise an, bepackt mit unvergesslichen Begegnungen, prägenden Erlebnissen und wertvollen Erfahrungen, die diese Reise für mich zu einem unvergesslichen Geschenk machten. 

frau
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helfen
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Abschließend möchte ich mich bedanken: bei unserem Projektleiter Mag. Dr. Emeka Emeakaroha für die Organisation der Reise, seine Visionen und seine Kraft, bei allen Mitreisenden für ihren Einsatz und die gemeinsamen Stunden, bei meiner Familie und meinen Freunden, die diese Reise mitgetragen und bei all jenen die dieses Projekt unterstützt haben, Danke!

 

Mag. Romana Weidinger

Orthoptistin

 

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