Christologie der Befreiungstheologie und ihre Relevanz für eine Afrikanische Christologie

(Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades an der Theologischen Fakultät der Universität Wien).

EINLEITUNG

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Die Augen des Frosches hindern die Giraffe nicht daran, aus dem Teich zu trinken“. Der Frosch, der seine Augen weit aufreißt, könnte mit der europäischen Theologie verglichen werden,einer vorwiegend akademischen Theologie, die in den Universitäten und anderen kulturellen Zentren erarbeitet wird, eine Theologie, die lange Zeit auch in die Länder der Dritten Welt exportiert worden ist. Die eigentlich nur aus Muskeln bestehende Giraffe, die, unbekümmert um die Augen des Frosches, aus dem Teich trinkt und dann weitergeht, ist hier vergleichbar mit der aufkommenden Befreiungstheologie, die inzwischen begonnen hat, sich mit Gewicht und Kreativität Ausdruck zu verschaffen.

Die Theologie der Befreiung ist keine einheitliche, festgefügte, klar umrissene und unbewegliche Lehre. Wie P. Charentenay schreibt, gleicht Befreiungstheologie eher einem „…zuweilen reißenden, immer aber mächtigen Strom, der aus den durchflossenen Gebieten vielerlei mit sich führt.“ Einerseits ist Befreiungstheologie eine Theologie, die sich selbst als kritische, im Licht des Glaubens vollzogene Reflexion auf historische Praxis versteht. Andererseits handelt es sich um eine Theologie, die sich nicht bloß als Gegenstand der Interpretation der Offenbarungsinhalte versteht, sondern Antwort zu geben versucht auf die Frage: „Was ist zu tun?“. Das erste Kapitel dieser Arbeit beschäftigt sich vor allem mit den Grundelemente der Befreiungstheologie und ihrer Christologie und versucht die Bedeutung der Befreiungstheologie für den Entwurf einer universalen Christologie zu erarbeiten.

Die Befreiungstheologie gehört zur Geschichte wie das Boot aufs Meer. Sie entwickelt daher ihre Thematik der Epoche entsprechend. Am Anfang war sie mehr politisch. Jetzt wird sie zunehmend theologisch und spirituell. Und doch bleibt sie ihrer Grundausrichtung treu, dem wachen Bewußtsein von der notwendigen Befreiung der Armen.

Die Theologie der Befreiung hat ein christliches Fundament. Sie wurzelt in der Bibel und in den christlichen Gemeinden und hat einen dementsprechend gut aufgebauten christologischen Grundzug. Leonardo Boff, der aus einer „Teilhardischen“ Perspektive herkommt, bearbeitete die erste Synthese des christologischen Konzepts der Befreiungtheologie. Für ihn ist es eine dynamische, kritische, in die Zukunft gerichtete Christologie, die Jesus Christus einfach als den Befreier darbietet und es ist dieser Gedankengang, den Leonardo Boff in vielen seiner Bücher zu verfolgen versucht. Im Vorwort zu seinem Buch – Jesus Christus, der Befreier – schreibt er : „Es ging mir darum zu zeigen, dass die Befreiung im Mittelpunkt der Botschaft und des Handelns Jesu steht, dass er eine persönliche Option für die Armen trifft, dass er in den Unterdrückten die ersten Adressaten seiner Guten Nachricht sieht….“ Das heißt, unser Glaube an Jesus Christus impliziert ein Engagement für die Armen, deren Elend Jesus nicht egal war. Im zweiten Kapitel dieser Arbeit werden wir uns mit diesem „Boff’s Konzept von Jesus als dem Befreier“ auseinandersetzen.

Das dritte Kapitel befaßt sich mit dem christologischen Konzept der Afrikanischen Theologie. Nach der Beendigung der Kolonialherrschaft ist Afrika fast überall auf der Suche nach der eigenen Identität. Die Kirche (Christentum) ist hier nicht ausgenommen. In der Afrikanischen Theologie hat man sich am Anfang mit einer „Akkomodation“ oder „Adaptation“ des Christentums befaßt. In dieser Zeit versuchte der Afrikaner, die Ressourcen seiner Kultur an die empfangene „Botschaft“ anzupassen. Aber heute redet er eher von einer Inkarnation des Christentums statt einer „Adaptation“ oder „Akkomodation“. Das heißt, Jesus soll als ein Afrikaner dargestellt werden, damit seine Botschaft in einem afrikanischen Umfeld gut ankommt. Rene Luneau, ein afrikanischer Theologe, meinte : „Für den Afrikaner bleibt die entscheidende Herausforderung: Wie können wir in unserer Kultur und in unserer Geschichte durch alle Spannungen und Konflikte hindurch Jesus Christus denken, verstehen und bekennen?“

Im vierten Kapitel dieser Arbeit wird eine kritische Bewertung der afrikanischen Theologie / Christologie gewagt.