Bereits 2015 entschloss ich mich dazu eine Patenschaft zu übernehmen und so einem Kind in Nigeria den Schulbesuch zu ermöglichen. Jedes Jahr freute ich mich, wenn ich von meinem Patenkind per Brief hörte, doch ich hatte auch immer den Wunsch einmal mit nach Nigeria zu fliegen und dort sowohl mein Patenkind als auch das Land, die Kultur und die Menschen kennenzulernen.
Heuer war es dann endlich soweit. Am 20. Juli traf sich die Reisegruppe früh morgens am Flughafen in Wien. Vollbepackt mit Koffern, Handgepäck und vielen weiteren Taschen gefüllt mit Geschenken und kleinen Aufmerksamkeiten für die Kinder in Nigeria hofften wir durch den Check- in zu kommen. Leichter als gedacht schafften wir es und waren schon bald auf dem Weg nach Frankfurt. Von dort aus ging es weiter nach Port Harcourt.
Dort angekommen konnten wir nicht gleich das Flugzeug verlassen, da es in der Stadt einen Stromausfall gab, was wie wir später beim Rückflug erleben durften, wohl öfter einmal vorkommt. Doch davon lässt sich hier niemand beirren. Danach ging es in der Dunkelheit weiter zum Hotel in Port Harcourt. Da der Weg nach Umunohu doch einige Stunden dauern würde, verbrachten wir dort die erste Nacht und machten uns am nächsten Morgen nach einem zum Teil ungewohnt deftigen Frühstücksbuffet, das eher einem Mittagsbuffet ähnelte, auf den Weg ins Dorf. Bald kamen wir auf die „Autobahn“, die von uns Österreichern unter diesem Namen doch etwas belächelt wurde. Doch spätestens nach den tiefen Schlaglöchern auf den Landstraßen und im Dorf wusste man, dass sie sich diesen Titel doch verdient hatte.
Als Stärkung zwischendurch hatte Emeka für uns Bananen und Erdnüsse in Glasflaschen, die uns in den nächsten Tagen immer wieder als Zwischensnack begleiteten. Am späten Nachmittag erreichten wir unser Ziel und wurden dort bereits freudig singend und tanzend erwartet und begrüßt. Von Anfang an konnte man die überwältigende Herzlichkeit, Offenheit und Freude der Menschen in Nigeria spüren.
Nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten, gab es nach einem köstlichen Abendessen die ersten Informationen für die nächsten Tage und wir hatten die Möglichkeit unser Geld auf die nigerianische Währung Naira zu wechseln.
Am nächsten Tag wurde uns nach dem Frühstück langsam klar, dass die Uhren in Nigeria anders ticken als in Österreich, da wir uns ca. eine Stunde später als geplant auf den Weg ins Dorf machten. Stress macht sich hier niemand und wir Österreicher hatten anfangs zum Teil Schwierigkeiten mit dem lockeren Umgang von Zeit. Doch spätestens in den letzten Tagen unserer Reise wussten wir alle, dass man sich zum verabredeten Zeitpunkt ruhig noch einen Kaffee, eine kleine Ruhepause oder ein Buch am Balkon gönnen konnte und trotzdem noch rechtzeitig zur Abfahrt des Busses bereit war.
Am ersten Tag im Dorf besuchten wir eine Familie um mit ihnen für ihre liebe Verstorbene zu beten. Vor dem Haus durften wir Zeuge davon werden, wie eine zuvor geschlachtete Kuh dort direkt auf Bananen- und Palmblättern, die auf dem sandigen Boden lagen zerteilt wurde. Für die Einwohner ein scheinbar so normaler Anblick, dass sie schmunzelten als wir fasziniert Fotos davon machten.
Danach ging es mit dem Bus weiter zum Madonna Austrian Hospital Ihitte. Abermals wurden wir mit einem überwältigenden und bunten Empfang begrüßt. Die MitarbeiterInnen des Krankenhauses tanzten und sangen für uns direkt vor dem Spital und danach durfte unser „Dorfältester“ die Kolanuss, ein traditionelles Begrüßungsgeschenk, entgegennehmen. Anschließend gab es eine interessante Führung durch das Krankenhaus.
Abends lernten wir beim Abendessen eine afrikanische Frucht namens Pear kennen, die optisch einer großen Zwetschke ähnelt und von Emeka mit den Worten „Sie schmeckt nach mehr.“ angekündigt wurde. Doch leider hatte sie geschmacklich so gar nichts mit einer Zwetschke gemein, was man an den meisten Gesichtern der Reisegruppe deutlich sehen konnte. Wir überließen sie Emeka also gerne, der sie sich schmecken ließ.
Danach gab es eine Begrüßungszeremonie mit Emekas Eltern, bei der wir als Gastgeschenk wunderschöne afrikanische Stoffe überreicht bekamen und es wurde auch wieder freudig für uns getanzt. Spätestens beim gemeinsamen Anstoßen wurde klar wie sehr Umunohu, Emeka und seine Familie bereits mit Österreich verbunden sind, als das nigerianische Prost „Ogologondo“ in ein „Zaum, zaum, zaum, zaum… Proooost!“ überging.
Am zweiten Tag besuchten wir die Fußballakademie, bei der wir den Kindern dank einiger Mitreisender Fußballdressen überreichen konnten. Danach ging es weiter in einen Steinbruch, den wir uns alle doch etwas anders vorgestellt hatten. Hier gibt es keine Bagger oder Maschinen, sondern nur Schaufeln, Scheibtruhen und Handarbeit. Nach einem abendlichen Spaziergang durch das Dorf mit weiteren herzlichen Zusammentreffen mit Einheimischen, beendeten wir den Tag mit dem Besuch einiger Schneiderinnen, die für uns aus den afrikanischen Stoffen traditionelle Kleidung nähten.
Am Sonntag machten wir uns nach dem Frühstück auf den Weg zur Kirche. Auch hier konnten wir wieder die unendliche Herzlichkeit und auch das große Interesse vor allem der Kinder hautnah erleben. Es dauerte nicht lange, bis sich während der Messe immer mehr Kinder, die wir in den letzten Tagen im Dorf getroffen hatten, zu uns gesellten und schon bald hatten wir alle mindestens ein Kind auf unserem Schoß sitzen und auch auf dem Nachhauseweg wurden wir von vielen fröhlichen und zum Teil musizierenden Menschen fast bis zur Haustüre begleitet. Viele wollten unsere Namen wissen, uns berühren, unser Freund oder uns einfach nur nahe sein. Im Hof der Emeakarohas angekommen wurde dann zusammengespielt, gelacht und einfach die gemeinsame Zeit genossen.
Am Nachmittag stand das Treffen mit den Patenkindern auf dem Programm. Es war ein tolles Gefühl endlich mein Patenkind und seine Mutter persönlich treffen zu dürfen. Es ergaben sich nette Gespräche, man erzählte sich von seinem Leben und lernte sich näher kennen. Ich freue mich auch jetzt besser zu wissen wie ich mein Patenkind und seine Familie noch unterstützen oder womit ich ihnen eine Freude machen kann.
Da sich unsere Reisegruppe sowohl aus Pateneltern als auch aus Optikerinnen zusammensetzte, fuhren wir am nächsten Tag alle gemeinsam ins Krankenhaus um dort in der Optikerwerkstatt auszuhelfen. Es wurden Brillen sortiert, umgeräumt, Regale aufgestellt und vieles mehr.
Am Dienstagvormittag machten wir uns auf den Weg in die Schule. Bereits bei unserer Ankunft sah man immer wieder neugierige Kinder aus den Fenstern der Klassenzimmer schauen. Nach einer Führung durch das Schulgebäude gingen wir in den großen Saal um die Geschenkestraße vorzubereiten. Schon bald füllte sich der Raum mit etwa 900 Kindern, die anschließend gemeinsam für uns sangen. Ein unglaublich emotionaler Moment, der so manchen von uns zu Tränen rührte. Dieser Tag war für mich in mehrfacher Sicht ein besonderer, da mir zum einen das Schulprojekt und die Kinder sehr am Herzen liegen und ich auch die Ehre hatte vor den SchülerInnen Ballett zu tanzen. Die faszinierten Blicke der Kinder, die zum größten Teil zum ersten Mal Balletttanz und Spitzenschuhe sahen, war etwas Besonderes für mich.
Die nächsten beiden Tage sollten aber nicht weniger besonders werden, denn zum ersten Mal sollten Mitglieder der Kulturreise Workshops in der Schule anbieten und ich durfte mit den Kindern tanzen. Als Emeka mich damals fragte, ob ich einen Tanz- Workshop in einer afrikanischen Schule anbieten würde, war ich erst sehr unsicher und nervös. Was sollte ich afrikanischen Kindern, die den Rhythmus im Blut haben denn in diesem Bereich noch lernen können? Doch die Workshops entpuppten sich als großartiges Projekt, das allen Beteiligten riesen Spaß machte. Egal ob Geografie, Spiele, zaubern, Deutsch lernen oder tanzen, alle Workshops waren ein großer Erfolg und eine Bereicherung für beide Seiten. Am zweiten Tag wurden wir beispielsweise bereits mit „Hallo!“, „Guten Tag!“, „Willst du mein Freund sein?“ und vielen weiteren deutschen Wörtern und Sätzen begrüßt. Meine mit den Kindern einstudierte Choreografie durften wir sogar bei der Graduation Ceremony der Schule, zu der wir eingeladen wurden, präsentieren.
Diese Reise ist mit nichts was man in einem Reisebüro buchen kann auch nur annähernd zu vergleichen. Ich durfte eine tolle Zeit mit ganz besonderen Menschen sowohl aus Afrika als auch aus Österreich verbringen. Der Abschied ist mir sehr schwer gefallen und ich bin mir sicher, dass es nicht meine letzte Reise nach Nigeria gewesen sein wird.
Lieber Emeka, herzlichen Dank für eine unvergessliche Reise und diesen wunderbaren Einblick in dein Heimatland.
Sabrina