Wie kam es dazu, dass mein Sohn Benjamin und ich, gemeinsam mit einer bunt gemischten Gruppe für 12 Tage nach Nigeria verreisten? Benjamin besucht die 3. Klasse des Piaristengymnasiums in Krems an der Donau. Das Piaristengymnasium beteiligt sich unter der Federführung von Pater Bartholomäus an einem Patenschaftsprogramm. Die Schülerinnen und Schüler jeweils einer Klasse spenden freiwillig einen geringen monatlichen Betrag, um einem Kind in Nigeria für 12 Jahre den Schulbesuch zu ermöglichen. Dieses Programm wurde von Mag. Dr. Emeka Emeakaroha vor mehreren Jahren ins Leben gerufen, um in seiner Heimat Kinder aus bedürftigen Familien zu unterstützen, da der Schulbesuch in Nigeria zum einen keine Pflicht ist und zum anderen Geld kostet. Neben Unterstützung von medizinischen Projekten oder Infrastrukturprojekten ist die Investition in den Schulbesuch der Kern für eine bessere Zukunft und weniger von Fremdhilfe abhängige Entwicklung des Landes. Emeka veranstaltet seit vielen Jahren Reisen in seine Heimat, im Rahmen derer Ärzte der verschiedensten Fachrichtungen, Optiker und Handwerker auf freiwilliger Basis vor Ort mehrere Tage in den jeweiligen Fachgebieten den Einheimischen Hilfe zu teil werden lassen. Die Reisen wurden aber meistens auch um kulturelle Aspekte bereichert, um den Reisenden auch einen tieferen Einblick in das Leben und das Land zu geben. Dieses Jahr wurden zum ersten Mal den Schülerinnen und Schüler der Piaristen das Angebot gemacht, an einer solchen Reise teilzunehmen, damit sie sich vor Ort ein Bild machen können, was mit den Spenden geschieht. Benjamin hat sich sofort für die Reise gemeldet und seine Eltern damit überrascht. Nigeria stand nicht gerade als Urlaubsland #1 auf unserer Liste, eher im Geigenteil, in meiner Wahrnehmung galt Nigeria als gefährlich und korrupt. Nachdem wir bei einem Infonachmittag zu dieser Reise waren und noch in einer „Privataudienz“ bei Emeka sehr umfangreiche Informationen zum Ablauf der Reise und zum örtlichen Umfeld erhalten hatten, stimmten wir (seine Eltern) zu, dass Benjamin mitreisen durfte. Mich hatten die Informationsgespräche so neugierig gemacht, dass ich beschloss, Benjamin zu begleiten und so meldeten wir uns im November fix zu dieser Reise an.
Am 3.2.17 starten wir bei 0°C um 4:30 zum Flughafen, um rechtzeitig um 5:00 beim vereinbarten Treffpunkt zu sein. Jeder der Mitreisenden hatte die Aufgabe neben seinem eigenen Gepäckstück ein zweites in Empfang zu nehmen und einzuchecken. Mit 15 Reisenden, die jeweils ein zweites Gepäckstück mitnahmen, konnte kostengünstig eine Menge an Geschenken, medizinisches Material und andere Güter mitgenommen werden, die in Nigeria benötigt werden. Pünktlich hoben wir nach Frankfurt ab, von wo dann der Weiterflug nach Port Harcourt erfolgt. In Frankfurt nutzten wir die Wartezeit um noch einige Dinge zu besorgen. Waltraud kam auf die spontane Idee und kaufte 2 Fussbälle, die als Geschenke dann von den Buben Sebastian und Benjamin an die Kinder vor Ort übergeben wurden. Wir besorgten auch 2 Flaschen Whiskey, damit wir uns jeden Abend zur Sicherheit innerlich desinfizieren konnten, was dann zu einer Art Ritual vor dem Abendessen wurde. Nach pünktlichem Weiterflug setzten wir nach 6h in Abuja, der Hauptstadt Nigeria’s, zu einer Zwischenlandung auf, bei der mehr als die Hälfte der Passagiere das Flugzeugt verließ. Ich war verwundert über den relativ provinziell anmutenden Flughafen der Hauptstadt. Das hat wohl damit zu tun, dass Abuja erst 1991 zur Hauptstadt ernannt wurde und mit ca. 1,5 Millionen Einwohnern vergleichsweise klein im Gegensatz zur früheren Hauptstadt Lagos einer 10 Millionen Stadt ist. Nach weiteren 1,5 Stunden Flugzeit erreichten wir endlich Port Harcourt. Beim Verlassen des Flugzeuges traf uns die abendliche schwüle Wärme mit 32°C wie ein Keulenschlag. Die Gegensätze zu Europa gingen sofort weiter, als wir zu Fuß das Ankunftsterminal erreichten. Bei uns würde man es als großes Partyzelt einordnen. Wir waren von Emeka gut auf die Einreise vorbereitet, daher ließen wir ruhig die Prozeduren wie Passkontrolle, Impfpasskontrolle (Gelbfieberimpfung ist vorgeschrieben) sowie Fragen nach ‚small gifts‘ über uns ergehen. Die Gepäckausgabe war etwas abenteuerlich, aber auch die passierten wir erfolgreich, nachdem jeder sein Gepäckstück identifiziert hatte.
Emeka empfing uns bereits im Ankunftsterminal und lotste uns zum Bus, der für die nächsten 12 Tage unser bevorzugtes Reisemittel wurde. Dass die Uhren in Nigeria anders ticken konnten wir gleich feststellen, als der Busfahrer beim Abbiegen eine offene Tür eines stehenden PKW’s mitnahm und fast abriß. Nach 3 Minuten war der Vorfall geklärt, die Tür zurecht gebogen und die Fahrt ging in der Dunkelheit weiter, denn Straßenbeleuchtung ist selbst in den Städten rar. In Österreich hätte dieser Vorfall die Polizei, Versicherungen und eventuell Rechtsanwälte bemüht – in Nigeria ist das gelebter Alltag.
Die erste Nacht verbrachten wir in einem Hotel in Port Harcourt, da die 2-stündige Fahrt bei Dunkelheit in das Heimatdorf Emeka’s Umunohu zu gefährlich gewesen wäre. Im Hotel wurden wir mit Bananen, Erdnüssen und Wasser versorgt, die Emeka mitgebracht hatte. Bananen und Erdnüsse wurden in den nächsten Tagen auch wichtige Bestandteile unseres täglichen Speisezettels – und beides schmeckte herrlich, ganz anders, viel intensiver und natürlicher als wir es kennen. Unser mitreisender Chirurg Leo Mitteregger spendierte noch eine Runde Bier, das nach der langen Reise eine Wohltat war.
Am nächsten Tag brachen wir auf zur letzten Etappe nach Umunohu. Dabei lernten wir auch die Polizisten näher kennen, die uns während unseres gesamten Aufenthaltes außerhalb unseres Domizils auf Schritt und Tritt begleiten haben. Diese Maßnahme diente zur Vorbeugung, damit es keinesfalls zu einem Zwischenfall kommen konnte. Jeder Zwischenfall könnte die lang aufgebaute Missionsarbeit von Emeka mit einem Schlag zunichte machen, da niemand mehr dorthin reisen würde. Die Polizisten waren ausgesprochen nette Menschen und es entstand eine Art Freundschaft. Ich hätte aber auch ohne Polizisten dort keinerlei Bedenken gehabt, mich frei zu bewegen, da die Bevölkerung außergewöhnlich freundlich und herzlich ist. Wir befanden uns ja im christlichen Südosten Nigerias, im Bundesstaat Imo und somit 1000km weit weg von der nördlichen Region in der die terroristische Boko Haram Bewegung ihr Unwesen treibt. Der Südosten erlangte Ende der 60er Jahre auch traurige Berühmtheit als der Biafra-Krieg wütete. Die Region Biafra erklärte damals 1967 seine Unabhängigkeit von Nigeria. Daraus entzündete sich ein ungleich geführter 3-jähriger Krieg zwischen dem von den Engländern unterstützen Nigeria und der nach Unabhängigkeit strebenden Bevölkerungsgruppe der Igbo, der uns aufgrund der Bilder von verhungernden Kindern aufrüttelte.
Die Fahrt führte uns im ersten Abschnitt über die Autobahn nach Owerri, die aber nur ansatzweise die Bezeichnung Autobahn verdiente. Riesige Krater, Geisterfahrer, scheinbar nicht vorhanden Straßenregeln und zusätzlich immer wieder kehrende Sicherheitskontrollen an Barrieren prägten die Fahrt. In Owerri, der Hauptstadt des Bundesstaates Imo, machten wir beim Sitz des Erzbischofs Rast. Nach 3 Stunden Fahrt erreichten wir endlich das Heimatdorf Emekas und wurden im Anwesen von Emekas Familie von einer Gruppe tanzender und singender Frauen empfangen. Man konnte die Freude der Menschen über den Besuch der lange angekündigten ‚Weißen‘ spüren. Speziell die mitreisenden Jugendlichen wurden sofort von den Kindern in Beschlag und bei der Hand genommen, es war überwältigend.
Das Anwesen des Emeka Clans hat uns alle, oder zumindest diejenigen aus der Gruppe, die noch nie die Reise mitgemacht hatten, sehr beeindruckt. Neben dem Haus des Chiefs gibt es noch 2 für unsere Begriffe Paläste mit jeweils 2 Stockwerken und etlichen Zimmern. Diese Häuser wurden von 2 Brüdern Emeka’s gebaut, einer davon ist Tony, der in England lebt und der andere ist Kelechi, der Rechtsanwalt ist und ein Bauunternehmen besitzt und zudem sehr gut in der Politik vernetzt ist. Daneben gibt es noch weitere Gebäude, die zum Teil im Bau sind sowie der Bereich der Küche. Gekocht wird prinzipiell im Freien bei offenem Feuer und wir konnten oft den Frauen dabei zusehen, wie sie unsere Mahlzeiten zubereiteten. Nachdem das Gepäck verteilt war, wurden wir in die Zimmer eingewiesen, die mit Dusche und WC ausgestattet waren. Wir hatten Gelegenheit uns etwas auszuruhen bevor wir uns dann um ½ 4 zum ersten einheimischen Mittagessen im Haus vom Chief trafen. Die Mahlzeiten waren zum größten Teil aus lokalen und regionalen Zutaten zubereitet, wobei sie etwas auf europäische Geschmacksnerven angepasst waren, vor allem wurden sie milder gewürzt. Kochbananen, Reis, Yams, Fufu sowie Papaya, Ananas, Melone und natürlich Erdnüsse waren in verschiedenen Variationen oftmalige Bestandteile der Speisen, manchmal ergänzt durch Fisch und zu besonderen Anlässen auch durch Huhn. Erdnüsse waren immer als Snack präsent, wir konnten die Aufbereitung täglich im Hof mitverfolgen, wenn die Frauen die Erdnüsse in die Sonne zum Rösten aufgelegt hatten.
Abends wurden wir von den Eltern Emeka’s – dem Chief und seiner Frau – empfangen, es war ein feierlicher und auch berührender Moment einem Häuptling gegenüber zu stehen, der in der Region eine Autorität darstellt, von der manche unserer Ortskaiser nur träumen können. Wir lernten dabei auch die Geschichte von Emekas Urgroßvater, der kein Englisch konnte und daher damals in den Verhandlungen mit den Weißen immer einen Dolmetscher benötigte, was für ein Nachteil gegenüber anderen Chiefs war. Daher hat er damals beschlossen, dass sein Enkel – Emekas Vater – studieren muss. Dieser gab das dann an seine Kinder weiter und somit haben alle 9 Geschwister ein Studium abgeschlossen.
Am nächsten Tag, ein Sonntag, mussten wir früh aufstehen, da für 8h ein Besuch einer Messe geplant war. Als wir in der Kirche eintrafen, war die Messe bereits seit einer halben Stunde im Gange und sollte bis ½ 11 dauern. Drei Stunden ist für nigerianische Verhältnisse eine normale Zeit und für uns Europäer gewöhnungsbedürftig. Wenn man aber einmal dort ist und eintaucht, dann ist es sehr kurzweilig, da sehr viel Musik und Gesang im Spiel ist. Dazwischen gibt es eine Predigt, die auch 20 – 30 Minuten dauern kann, da der Priester manchmal Alltagskonflikte in Form von Vergleichen zu biblischen Geschichten erörtert. Da viele der älteren Leute nicht lesen und schreiben können, ist die Kirche für sie der Ort wo Dorfangelegenheiten thematisiert werden. Kollekten gibt es mehrere für die verschiedenen Dorfteile und für besondere Anschaffungen. Faszinierend waren die Kollekten, die ähnlich einer Versteigerung durchgeführt wurden. Dabei rief einer der kirchlichen Mitarbeiter eine Summe, zum Beispiel 2000 Naira (entspricht in etwa 4 Euro) auf, und diejenigen, die bereit zu dieser Spende waren, gingen nach vorne und wurden namentlich genannt. Die besonderen Spender wurden dann extra vom Priester mit einem Segen versehen. Während früher der Segen mit einem weihwassergetränkten Wedel durchgeführt wurde, hat heute der Fortschritt Einzug gehalten und das Weihwasser wurde mittels Sprühflaschen großzügig auf die Teilnehmer verteilt. Man konnte Emeka im Gesicht ablesen, dass ihm dieser Teil der Messe besonders Spaß machte. Die Kirche war sehr gut gefüllt und Teilnehmer, speziell die Frauen waren prächtig in ihren farbenfrohen Gewändern gekleidet. Nach der Messe wurde vor der Kirche von Jugendlichen ausgiebig getrommelt und jeder von uns hatte mehrere Kinder an der Hand. In Form einer Prozession und begleitet von den Trommlern zogen wir zurück zum Anwesen, wo uns die Jugendgruppe noch verschiedene, zum Teil sehr athletische Übungen vorzeigte. Am späten Nachmittag machten wir einen Rundgang durchs Dorf, bei dem wir einen blinden Mann besuchten, der aufgrund von missglückten Augenoperationen erblindet ist. Früher war er immer bei den ersten, die die weißen Besucher bei der Ankunft begrüßt hatte, daher war es für ihn eine große Freude, dass wir ihm die Aufwartung machte. Abends kamen dann noch die Schneiderinnen und Schneider zu uns, um Maß zu nehmen für die afrikanischen Gewänder, die wir gegen Ende der Woche erhalten sollten. Die herrlichen Stoffe bekamen wir vom Chief als Gastgeschenk.
Morgens wurden wir oft schon frühzeitig aus dem Schlaf gerissen. Zum einen gab es am Hof eine Ziege, die sich sehr gerne morgens die Seele aus dem Leib schrie. Zum anderen gab es einen prächtigen Hahn, der auch auf sich aufmerksam machen wollte und dabei immer wieder den Kochtopf riskierte. Zwischen 8 und ½ 9 trafen wir uns dann jeden Morgen zum Morgenlauf durch das Dorf. Für mich als passionierter Läufer ein Highlight. Über die Dorfstraßen ging es immer an zahlreichen Kindern auf ihrem Weg zur Schule vorbei, die alle freundlich winkten. Dazwischen überholten uns die Schulbusse – das sind Motorräder, die neben dem Fahrer 1 – 5 Kinder transportierten. Der Weg führte uns immer am örtlichen Kreisverkehr vorbei. Dieser ist ein Novum. Es treffen zwar ca. 5 Straßen bzw. Feldwege aufeinander, nur gibt es kaum Verkehr außer den erwähnten Schulbussen und seltenen Privatautos. Der Kreisverkehr ist zudem riesig und nimmt es fast mit Picadilly Circus auf. Ein früherer Lokalpolitiker, der einmal zu Besuch in der Großstadt war, hatte sich in den Kopf gesetzt, dass auch Umunohu einen Kreisverkehr braucht und den dann durchgesetzt.
An diesem Tag besuchen wir das Madonna Hospital, das Emeka in den vergangenen Jahren mit Hilfe von vielen Spendern und Sponsoren erbauen ließ. Dieses Spital ist für die Gegen einzigartig, bietet es doch permanent anwesende, ausgebildete Ärzte und Krankenschwestern sowie Untersuchungsmöglichkeiten mit modernen medizinischen Geräten in hygienischen, sauberen Räumen. Aus diesem Grund sind die Schlangen, der geduldig wartenden Patienten immer lange. Wir werden durch die Ordinationszimmer, das Labor, die Apotheke, das Archiv und auch den Operationssal geführt, in dem Leo, der mitgereiste Chirurg, jeden Tag 4 – 6 Nabelbruchoperationen (und auch zwischendurch einen Blinddarm) durchführte. Leute mit geringem oder keinem Einkommen müssen für die Behandlungen nichts bezahlen, dafür geben wohlhabendere Leute mehr als sie müssten, damit finanziert sich der Betrieb. Natürlich lebt das Krankenhaus von den vielen Spendern, die ganze medizinische Einrichtungen gespendet haben, wie zum Beispiel Dr. Tessarek, der nach seinem Übergang in den Ruhestand eine ganze gynäkologische Praxiseinrichtung überlassen hat. Während unseres Rundganges durch das Krankenhaus konnten wir uns von der Adaptierung eines Zimmers zum Röntgenraum ein Bild machen. Zum Ende der Woche sollte ein von Siemens gespendetes Röntgengerät in Betrieb genommen werden und damit das Krankenhaus um ein weiteres für die Region einzigartiges Merkmal bereichert werden.
Nach dem Spitalsbesuch besuchten wir den Bischof in Okigwe, der uns in seiner Residenz zu einem feudalen Mittagessen einlud. Dabei konnten wir eine Kathedrale bestaunen, die sich seit 1981 im Bau befindet und wahrscheinlich noch weitere 20 – 30 Jahre bis zur Vollendung benötigt – gewisse Parallelen zu Gaudi’s Sagrade Familia kamen einem in den Sinn.
Als letzte Station des Tages besuchten wir noch das Gymnasium, in dem Emeka zur Schule gegangen war. Wir wurden Zeuge von Sportwettkämpfen und feuerten die Läufer an. Dabei machten wir die ‚Welle‘, was die Schüler sehr amüsierte. Bei der Abreise standen viele Schüler neben unserem Bus und machten für uns die ‚Welle‘ – das nennt man Kulturaustausch.
Abends finden sich Leo, Franz und ich dann noch bei einer Flasche Wein zum Schnapsen ein, ein bisschen Heimat darf schon sein, auch wenn es uns an nichts fehlt.
Am Dienstag versuchten wir uns zum Frühstück an einer für uns unbekannten Frucht Udara, die extrem klebrig war, aber ein sehr interessantes, bitter-süßes Aroma hatte. So lernten wir immer wieder neue Fürchte kennen, wie auch die Soursop-Frucht. Der erste Programmpunkt war der Besuch der Grundschule, die ebenso auf Initiative und mit Unterstützung von Emeka vor Jahren erbaut wurde. Es war beeindruckend zu sehen, mit welcher Hingabe die Kinder dem Unterricht folgten. Die Klassenzimmer sind ganz einfach eingerichtet, als Tafel dienen die Wände, an denen Themenbereiche als wahre Kunstwerke aufgemalt waren, wie zum Beispiel eine ausführliche Landkarte Nigeria’s oder ein menschliches Skelett. Unsere Jugendlichen verteilten in jeder Klasse ein kleines Geschenk in Form eines Bleistiftes – für uns eine Winzigkeit – für die Kinder dort eine kleine Kostbarkeit. Wir lernten dabei auch welche Arten von Spiele es gibt, zum Beispiel ‚Wer hat Angst vorm weißen Mann?‘. Zum Abschluss des Besuches bekommen wir noch eine Vorführung von Tänzen, die die Kinder einstudiert hatten. Auffallend in dieser Schule war die Sauberkeit. Im Gegensatz zu unseren Gegenden gibt es in Nigeria kein funktionierendes Abfallentsorgungssystem, was zur Folge hat, dass dort wo Menschen wohnen, der Abfall überall neben den Straßen liegen bleibt. Das ist für uns Europäer sehr gewöhnungsbedürftig und es wird noch viele Jahre dauern, bis großflächige Maßnahmen greifen werden.
Nachmittags besuchen wir den täglichen Markt, der für uns einen Angriff auf die Geruchsnerven bedeutet. In engen, verwinkelten Gassen bieten die Leute ihre Waren an, größtenteils Obst und Gemüse. Des Öfteren sehen wir auch getrocknete Fischköpfe, die in geriebener Form Basis für Saucen sind, leider aber einen bestialischen Geruch verströmen. Emeka kauft einige Dinge wie Erdnüsse und Kokosnüsse ein und beim Verlassen des Marktes werden Leo und ich an einem Straßenstand noch von Einheimischen auf ein Bier eingeladen, was bei dieser schwülen Hitze richtig zischt.
Am Mittwoch besuchen wir den Wochenmarkt, an dem es neben den üblichen Lebensmitteln andere Waren, wie Buschmesser zu kaufen gibt. Am späten Nachmittag fahren wir nochmals ins Madonna Hospital und besichtigen die fertiggestellte Optikerwerkstatt. Barbara, Birgit und Elisabeth (mit Unterstützung von Karl) haben verschiedene gespendete Geräte in Betrieb genommen und einheimische Personen darauf eingeschult, damit in Zukunft Augenuntersuchungen und Brillenanpassungen von den Einheimischen durchgeführt werden können. Sehr beeindruckend, was die Damen hier in kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben.
Abends besucht uns ein Flötenspieler, der auf seinen handgefertigten, nur mit 3 Löchern versehenen Flöten interessante und dynamische Melodien erzeugt.
Für politisch und geschichtlich Interessierte bietet der nächste Tag Gelegenheit im Biafra Kriegsmuseum die Hintergründe des bereits erwähnten tragischen Konfliktes kennenzulernen. Das Museum wurde rundum den damaligen nie aufgefunden Radiosenders der Igbo gebaut. Auf dem Gelände kann man verschiedene Kriegsgeräte besichtigen, die die Igbos damals mit einfachsten Mitteln aber sehr effektiv entwickelt haben, wie zum Beispiel Panzerfahrzeuge oder einfachste Flugzeuge.
Freitags war der Moment gekommen, an dem wir den Schulneubau besichtigten. Ein weiteres von Emeka betriebenes Projekt, allerdings in einer mutigen Dimension. Es soll ein Gymnasium für ca. 1000 Schuler errichtet werden, mit modernen Infrastruktur und EDV. Für diese Schule wurde uns auch eine Tafel mitgegeben die die Partnerschaft der Piaristen mit der geplanten Schule dokumentiert. Wir sahen zu, wie die Arbeiter mit einfachsten Mitteln den Mörtel anrührten und die schweren Kübel am Kopf zur Baustelle trugen. Wir sahen kein einziges modernes Baugerät, es wird alles manuell durchgeführt. Es wurden Geschenke an die Arbeiter verteilt, die EVN ist jetzt auch in Nigeria ein Begriff, aufgrund der vielen Kappen die verteilt wurden.
Samstag ist der Tag an dem die Patenkinder der Piaristen zur Geschenkeübergabe eingeladen waren. Für jedes der 50 Patenkinder hat die jeweilige Schulklasse ein Paket zusammengestellt, das wir im Extragepäck mitgenommen hatten. Die Kinder sollten sich um 10h einfinden, allerdings spielt Zeit in Nigeria eine eher untergeordnete Rolle, daher war es nicht verwunderlich, dass manche schon um 9h da waren, andere aber erst nach 11h eintrudelten. Die Geschenkeübergabe zieht sich bei großer Hitze nahe der 40° ziemlich lange dahin, am Ende sind vor allem die Kinder glücklich.
Am Sonntag ist es dann soweit, wir besuchen wieder einen Gottesdienst. Diesmal aber in einer anderen Kirche und vor allem in unseren neuen afrikanischen Gewändern. Wir tragen alle mit Stolz diese wunderschönen Gewänder und fühlen uns ein Stück weit in die Gemeinschaft integriert. Die Messe bringt noch ein weiteres Highlight mit sich, wir dürfen an der Taufe eines Kindes von Emeka’s Schwester teilnehmen. Der Gottesdienst für sich ist wieder beeindruckend, diesmal sehen wir auch wie die Einheimischen Gaben in Form von Obst aber auch lebenden Hühnern in die Kirche bringen. Nach der wunderschönen Zeremonie sind wir bei Emekas Schwager zu einem Empfang geladen und werden mit kühlen Getränken Erdnüssen, Ananas und Melonen verwöhnt. Das Thermometer geht unaufhörlich nach oben daher sind wir dankbar um jede Gelegenheit sich in einer klimatisierten Umgebung zu erholen. Nach dem Empfang geht es weiter zu einer evangelischen Kirche, wo wir mitten in den Gottesdienst platzen – das ist in Nigeria kein störender Aspekt, sondern eine willkommene Ablenkung. Wir treffen dort auf den Senator, der Vertreter des Bundesstaates Ibo in der Nationalregierung. Ein wichtiger Mann, der seine schützende Hand über die Projekte Emekas hält. Daher ist es wichtig, dass wir ihm unsere Aufwartung machen. Der Senator lädt uns danach in sein Haus – ein kleiner Palast - in, wo auf dem Hof bereits Feierlichkeiten in Gange sind. Wir bekommen Getränke angeboten und dürfen in seinen bequemen Fauteils ‚chillen‘.
Schon etwas abgekämpft haben wir noch einen letzten, aber umso wichtigeren Programmpunkt vor uns. Die Kinder des Dorfes Umunohu sind für Sonntag Nachmittag an den Hof zur Geschenkestraß eingeladen. Es werden ca. 1000 Kinder erwartet. Wir hatten dazu im Vorfelde die mitgebrachten Geschenke sortiert. Während es zu Beginn der Geschenkeverteilung noch geordnet verläuft, beginnt es bald zu eskalieren, da zu viele Kinder sich zusammendrängen. Zur Vermeidung von Chaos oder sogar Unfällen lässt Emeka diese Aktion abbrechen und verspricht den Kindern diese im Laufe der Woche nachzuholen. Für uns schade, da wir uns darauf gefreut hatten und der Anblick der 1000 Kinder beeindruckend war. Gottseidank konnte die Aktion nach unserer Abreise erfolgreich nachgeholt werden, sodass wie geplant alle Kinder in den Genuss der mitgebrachten Geschenke kamen.
Abends wurden wir dann in einer sehr berührenden Runde von Emekas Eltern offiziell verabschiedet. Ich hatte das Gefühl, dass ich in der kurzen Zeit unseres Aufenthaltes neue Freunde gefunden hatte, die ich hoffentlich wieder sehen werde.
Am nächsten Morgen ging es noch einmal zum Morgenlauf, bevor wir dann unsere bestellten Sachen ausgefolgt bekamen. Die Riesenananas stellten uns gewichtsmäßig fast vor ein Problem, da wir auf das Maximalgewicht achten mussten. Dann war es leider soweit, es hieß Abschied von den Leuten am Hof zu nehmen. Trotz der angeborenen Fröhlichkeit, die wir tagtäglich spüren konnten, flossen dann viele Tränen, denn uns waren die Leute ans Herz gewachsen und umgekehrt war es ebenso.
Dann ging es 3 Stunden nach Port Harcourt, wo wir durch eine langwierige Prozedur mussten, da jedes Gepäckstück mehrmals sorgfältigst durchsucht wurde. Nach einer durchflogenen Nacht mit Umstieg in Frankfurt landeten wir morgens wohlbehalten in Wien.
Um viele Erfahrungen, Eindrücke und Freundschaften reicher und dankbar für die Gelegenheit diese Reise mitmachen zu können, sind wir wieder zurück im Alltag. Vieles relativiert sich nach so einer Reise und ich versuche manchmal bewusst die afrikanische Gelassenheit ins tägliche Leben einfließen zu lassen und Bescheidenheit zu üben, bei all dem Überfluss, in dem wir leben.
Sunday, 22 October 2017 19:37
Reisebericht - Nigeria 3. bis 14. Feb 2017
„Kedo?“ – „Odema“. Diese Worte sind uns nach ein paar Tagen in Nigeria in Fleisch und Blut übergegangen, immer mit einem Lächeln oder Lachen begleitet. Herzlichkeit, Freundlichkeit, Offenheit, Neugier, Gastfreundschaft, all das begegnete uns beinahe jede Minute während unserer Kulturreise im Februar 2017. Wir hätten es ahnen können, dass wir auf diese positiven menschlichen Eigenschaften treffen werden. Man braucht nur einmal etwas Zeit mit „Father“ Emeka verbringen, dann kann man ahnen, was einen in Nigeria erwartet.