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Reise nach Nigeria im Sommer 2019

 

Es wird geklatscht, gesungen und getanzt

Egal wo man hinkommt, zur Begrüßung wird gesungen und getanzt. Schon bei unserer Ankunft bei den Emeakarohas in Umunohu werden wir von singenden und tanzenden Frauen und Kindern in Empfang genommen. Sie bewegen sich rhythmisch zum Klang der Musik durch den Raum, berühren uns und teilen uns ihre Freude darüber, dass wir gut angekommen sind, durch schwungvolle Lieder und lächelnde Gesichter mit. Die Kinder unternehmen erste Annäherungsversuche: die älteren erkundigen sich nach unseren Namen, erzählen von sich und zeigen stolz, dass sie schon ein paar deutsche Wörter oder Sätze kennen, indem sie uns Komplimente wie „Du bist hübsch“ machen; die jüngeren suchen einfach nur den Körperkontakt. Alle wollen so nahe wie möglich bei uns sein. Sie berühren unsere Hände und so wie wir sie, beobachten auch sie uns ganz genau.

 

Auch beim Besuch des Krankenhauses empfangen uns die Krankenschwestern höchstpersönlich mit einem Tanz, der einlädt zum Mittanzen. Im Haus des blinden Mannes wird genauso gesungen wie auch beim Mittagessen mit dem Bischof. Wir Österreicher/innen können am Ende der Woche schon mitsingen, wenn das Lied „Ogologo ndu, Ogologo ndu“, was „langes Leben“ bedeutet, angestimmt wird.

 

„Die Messe beginnt um 9 Uhr, also treffen wir uns um viertel nach 9 unten“

Das Verständnis von Zeit in Afrika kann man nicht mit dem österreichischen Zeitverständnis vergleichen. Natürlich hängt das damit zusammen, dass viele Lebensbereiche in Nigeria sich grundsätzlich von jenen in Österreich unterscheiden. Die Menschen sind größtenteils Selbstversorger, sie verkaufen ihre Produkte entweder direkt dort, wo sie auch geerntet oder produziert werden oder am nächstgelegenen Markt. Nachdem Emeka einer jungen Dame vom Bus aus ungefähr 20 Tüten Bananenchips abgekauft hat, um uns alle mit dieser Köstlichkeit zu versorgen, konnte diese ihren „Arbeitstag“ sicherlich sofort erfolgreich beenden. Andere sind Dienstleister, das heißt sie sind Schneider, Friseure, Verkäufer oder bringen andere mit dem Motorrad von A nach B. Einen Arbeitstag, der um 8 Uhr beginnt und um 17 Uhr aufhört, gibt es für die wenigsten. Der Tagesablauf der Menschen ist sicherlich nicht von Terminen, Pünktlichkeit oder generell von Uhrzeiten bestimmt.

 

Das Programm, das wir von Emeka am ersten Tag der Reise mit dem Hinweis auf etwaige spontane Veränderungen bekamen, war tatsächlich nur eine grobe Orientierungshilfe für uns. Aus dem Vormittagsprogramm wurde meist ein Tagesprogramm, weil wir die Dinge einfach so nahmen, wie sie gerade gekommen sind. Wir hatten den Eindruck, dass es eine Aussage wie: „Ich hab dann noch was vor, ich muss eh schon wieder schnell weiter“, wie wir sie in Österreich ja nicht zu selten zu hören bekommen oder auch selber benutzen, nicht gibt. Es schaut auch niemand auf die Uhr und kontrolliert, wie spät es ist und wann beispielsweise die Messe beginnt. Die Messe beginnt, wenn die Kirche voll ist (und dauert, das möchte ich hier nur am Rande anmerken, mindestens drei Stunden).

Im Hof der Emeakarohas

Was wir täglich beobachten konnten war, dass Warten zum Leben der Nigerianer dazugehört. Im Hof der Emeakarohas ist immer was los. Immer wenn wir das Haus verlassen, sitzen wieder einige Menschen im Hof oder auf der Veranda, die wir vorher noch nie gesehen haben. Sie alle warten auf Emeka – von früh bis spät. Wenn Emeka sich morgens keine Zeit für sie nimmt, weil er ja Programm mit uns macht, sitzen sie abends immer noch im Hof und warten so lange, bis er sich die Zeit für sie nimmt. Sie bitten ihn um die Aufnahme ihrer Kinder ins Patenschaftsprojekt, erkundigen sich bezüglich der möglichen medizinischen Versorgung durch die Ärzte und Optiker, mit denen Emeka immer im Jänner/Februar nach Umunohu reist, oder fragen nach anderweitiger Hilfe. Eine Frau ist zum Beispiel mit ihren Kindern von ihrem Mann weggelaufen. Auch sie bat Emeka darum, für ihre Kinder Pateneltern zu finden, damit sie zumindest diese eine Sorge weniger hat. Ein ungefähr 16-jähriger Bursche hat zwei oder drei Tage im Hof verbracht und gewartet, dass wir und Emeka uns sein selbstgebautes Flugzeug anschauen.

 

Auch am Tag, als die Geschenkestraße im Hof am Programm steht, warten seit den frühen Vormittagsstunden die Kinder und ihre Eltern. Sie trudeln nach und nach ein, setzen sich auf eine der Bänke, die im Hof platziert sind, und warten. Erst um 16 Uhr haben wir mit der Verteilung der Geschenke begonnen. Am Abend erklärt uns Emeka, dass Warten hier ganz normal sei und nicht als schlimm empfunden wird. 

 

Die Menschen in Umunohu wissen, dass das Tor der Emeakarohas immer offensteht und sie nehmen die Hilfe und Unterstützung zahlreich an. Gleichzeitig haben wir miterlebt, wie dankbar die Menschen sind. Wenn sie Emeka sehen, rufen und winken sie schon von der Ferne. Nicht nur einmal haben wir Geschenke wie Nüsse oder einen Obstkorb überreicht bekommen. Die Menschen sagen so Danke für den Einsatz Emekas.

Nicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein

Dass Emekas Projekte in seiner Heimat Gutes bewirken, wussten wir auch schon vor unserer Reise. Von Erzählungen, Reiseberichten oder auch durch die Fotos, Briefe und Zeugnisse, die man jährlich von seinem Patenkind bekommt, erhält man einen guten Eindruck davon, was Emeka bereits auf die Beine gestellt hat.

 

Die tatsächliche Dimension und Reichweite seiner Projekte wie des Krankenhaus-Projekts oder des Patenschaft-Projekts können wir nun, da wir die Reise miterleben durften, besser einschätzen. Beim Besuch des Krankenhauses beeindruckt nicht nur die für das Land wirklich fortschrittliche medizinische Ausstattung, sondern auch die Tatsache, dass Emeka dafür sorgt, dass rund um die Uhr mindestens ein Arzt im Dienst ist. Patienten können also 24 Stunden am Tag bestens versorgt werden. Außerdem bietet das Austrian Madonna Hospital sogar Ausbildungsplätze für medizinisches Personal, was bedeutet, dass junge Erwachsene die Möglichkeit haben, später auch in anderen Krankenhäusern arbeiten zu können.

 

Wir haben während unseres Aufenthaltes des Öfteren miterlebt, wie die Menschen Emeka danken, für eine Behandlung oder Operation, die in der Vergangenheit durchgeführt wurde. Mindestens genauso viele Menschen baten um einen Platz im Februar, wenn Emeka mit einer Gruppe von Medizinern nach Umunohu reist.

Gerade Kinder und ihre Schulbildung liegen Emeka sehr am Herzen. Hunderte Eltern ersuchen Emeka um die Aufnahme ihrer Kinder in das Patenschaftsprojekt, auch das haben wir mehrmals miterlebt.

Ich kenne keine Zahl, wie viele Menschen die Hilfe und Unterstützung von Emeka schon erfahren durften. Aber eines weiß ich ganz genau: Was Emeka mithilfe all der Spenden und seiner fleißigen Helfer leistet, ist mehr als nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Eindrücke, die in Erinnerung bleiben

Wenn ich gefragt werde, was die absoluten Highlights der Reise waren, bin ich überfragt. Nach nur zehn Minuten auf nigerianischem Boden erlebten wir etwas, was es so in Österreich nicht gäbe und was uns heute noch zum Lachen bringt. Die Kontrollstelle der Impfpässe am Flughafen stellt die erste kleine Hürde für uns dar. Denn so wird man in Nigeria geimpft: Eine nicht sehr gut organisierte Dame kontrolliert meist drei Impfpässe gleichzeitig und findet natürlich überall scheinbar fehlende Impfungen. Sie verlangt 10 Euro und trägt im Gegenzug dafür mit Großbuchstaben „POLIO“ in den Impfpass ein. Viele von uns haben sich später gefragt, warum wir uns nicht alle erst hier impfen lassen haben, das wäre uns doch viel billiger gekommen.

 

Als wir dann mit dem Bus unterwegs ins Dorf sind und aus dem Fenster blicken, bekommen wir bereits einen Eindruck davon, wie die Menschen in Nigeria leben. Die Autobahn würde in Österreich als „besserer Feldweg“ bezeichnet werden, Beladungsvorschriften gibt es nicht und die aus Holz, Blech und Plastik bestehenden Hütten am Straßenrand sind nicht nur Verkaufsstände, sondern die Menschen leben auch darin. Auf die Frage nach etwaigen Verkehrsvorschriften antwortet Emeka nur: „Man fährt hier durchschnittlich wie es einem passt.“ Am Straßenrand sieht man viele Menschen, kleinere und größere Märkte, vollbeladene Autos, Autoreifen, Motorräder und Müllberge.

 

Ich denke, man kann von zwei unterschiedlichen Welten sprechen. Jeder der zwölf Tage in Nigeria war ein Highlight für sich, denn wir haben jeden Tag etwas gesehen, gehört und erlebt, was wir vorher so nicht kannten oder wussten. Das fängt schon beim Essen an. Zum Beispiel vergeht kaum ein Abend, an dem wir nicht nachfragen, was genau wir eigentlich essen. Für Emeka sind dann Fragen wie „Isst man das einfach so?“ (da ging es um eine Art Nuss) prädestiniert dafür, sich einen Spaß mit uns zu machen. Natürlich ist nicht nur das, was am Speiseplan steht, interessant für uns. Wir stellen Fragen zur Landschaft, zu Pflanzen und zur Geschichte, zur Politik und zur Gesellschaft des Landes. Emeka kommt oft gar nicht zum Essen, weil er uns so viele Fragen beantworten muss.

 

Die täglichen Begegnungen mit Einheimischen sind natürlich jene Erlebnisse, die ganz besonders in Erinnerung bleiben. Ich denke da an unseren Besuch in der Schule, an Emekas Geschwister und Eltern, an die vielen Kinder im Hof, an die Menschen, die wir bei unseren Laufrunden durch das Dorf getroffen haben, an die Menschen, denen wir am Wochenmarkt begegnet sind, an den blinden Mann und seine Familie, an den Medizinmann und an noch viele weitere mehr. Die freudigen Rufe der Menschen nach uns – Onyeocha, Onyeocha („weißen Menschen“) – werde ich noch lange im Ohr haben.

 

Zum Schluss möchte ich meinen Dank aussprechen: Ich danke Emeka für die tolle Organisation der Reise. Als wir vor einigen Jahren die Patenschaft für Joy übernommen haben, wusste ich, dass ich früher oder später mitreisen möchte. Wir sind sehr froh, im Sommer 2019 dabei gewesen zu sein. Wir haben viel Neues gelernt und Eindrücke über ein Land bekommen, in das wir so schnell nicht wieder kommen werden. Dass wir Joy und ihre Familie kennenlernen durften war übrigens auch eines von vielen Highlights. 

 

Verena Preiss

 

 

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